Mitakuye Oyassin - diese Worte stammen aus der Sprache der Lakota, einem Stamm der nordamerikanischen Ureinwohner Sioux.
Sie bedeuten soviel wie „Danke allen meinen Verwandten“. Ein Zeichen von Respekt und Dank vor der Schöpfung, die alle Wesen aus dem Reich der Steine, Pflanzen, Tiere und Menschen beinhaltet.
Man spricht sie beim Betreten und Verlassen der Inipi, einer Schwitzhütte.
Diese Erfahrung durfte ich gestern machen. Geleitet von einem Medizinmann der Lakota.
Die Schwitzhütte gehört zu den ältesten Ritualen der Menschheit und ist über 40.000 Jahre alt. Sie dient zur Reinigung, zum Gebet und zur Heilung. Sie ist eine Neugeburt.
Die Inipi symbolisiert den womb, den schwangeren Bauch von Großmutter Erde und somit das weibliche Prinzip der Natur.
Das Feuer in dem die Steine, die Großväter, erhitzt werden, steht für das befruchtende männliche Prinzip.
Zu Beginn des Rituals steht die Gruppe um die Feuerstelle. Jeder hält einen Stein und gibt ihn mit seinem Gebet auf das Holz, ehe es entzündet wird und wir symbolische Opfergaben hineinwerfen. Lieder werden gesungen.
Wir krabbeln wie ein Baby, nackt und auf allen vieren in die Schwitzhütte und sitzen auf dem kalten Gras. Es ist eng. So viele unterschiedliche Menschen, Glaubenssysteme, Geschichten und Ansichten - und jetzt doch alle Eins.
Vor jeder der insgesamt vier Runden werden vom Feuermeister sieben glühende Großväter hineingegeben, die der Medizinmann segnet und an ihnen Räucherwerk entzündet, das uns reinigt.
Dann wird der Eingang geschlossen. Totale Finsternis. Ein Lied eröffnet jeweils die Runden ehe der Medizinmann Wasser - geschöpft aus einem fließendem Gewässer - auf die Großväter gießt. Es steht für die Vereinigung des Lebenswassers mit dem heiligem Atem des Geistes, der Erde mit dem Himmel.
Die erste Runde lädt unsere Ahnen und die Spirits ein, die die Zeremonie begleiten. Die zweite Runde ist der Vergebung und der bedingungslosen Liebe gewidmet. Die dritte Runde ist unsere Medizin, wir beten für Heilung. Die vierte und letzte Runde gilt der Dankbarkeit.
Die einzelnen Durchgänge kommen jedem unterschiedlich intensiv und heiß vor. Je nachdem, welche Intention einen am meisten betrifft.
Nur zwischen den Runden etwas frische Luft durch den kleinen Eingang. Wir teilen unsere Erfahrungen und sammeln Kraft. Medizinmann Wolf spricht über die Bedeutung seiner Lieder und die Intention des nächsten Durchgangs.
Trommeln, Gesänge und Gebete tragen einen durch die manchmal endlos wirkende Zeit in der Dunkelheit und Hitze. Wie in Trance. Kein Raum für Bewegung und entkommen. Alles was bleibt ist sich hinzugeben und loszulassen, die Kontrolle und das Ego fallen zu lassen.
Es ist kräftezehrend und anstrengend - und gleichzeitig so heilsam und erfüllend.
Am Ende der letzten Runde ein unglaubliches Glücksgefühl! Freude. Geschafft! Wir rufen gemeinsam Aho Mitakuye Oyassin. Dann kriechen wir wieder auf allen Vieren aus der Inipi.
Draußen der weite Himmel, die kühle und frische Luft. Pure Dankbarkeit!
Wir umarmen uns und danken einander. Ich liege nackt im kalten Gras und fühle mich wie neugeboren. Sicher gehalten von Mutter Erde und über/vor mir das Leben. Freiheit!
Am Ende stehen wir alle wieder um die Feuerstelle. Medizinmann Wolf lässt die Pfeife kreisen. Wir danken Wakan Tanka, dem großen, unerklärlichen Geheimnis, dem großen Geist.
Das Gestell der Inipi, bestehend aus Weidenästen. Der Eingang ist Richtung Osten.
Die Großväter Steine. Bei den Lakota gelten sie als Träger uralten Wissens.
Der Altar mit Büffelkopf, einem Geweih und anderen heiligen Gaben.
Die Opferschüssel, aus der jeder Teilnehmende am Ritual welche dem Feuer übergibt.
Die fertige Schwitzhütte, bedeckt mit Decken und Fellen.
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